
Kunstwerke von Caspar David Friedrich
Wir blicken zurück auf ein großes Jubiläumsjahr in der deutschen Kunstgeschichte. Anlässlich des 250. Geburtstags von Caspar David Friedrich (1774–1840) fanden dieses Jahr zahlreiche große Ausstellungen und Feierlichkeiten rund um die Kunstwerke des romantischen Landschaftsmalers statt. Werke wie Der Wanderer über dem Nebelmeer oder Die Kreidefelsen auf Rügen hat sicherlich jeder von uns schon einmal gesehen. Entdecken Sie heute mit uns einige der bedeutendsten Werke der Romantik Epoche und der deutschen Kunstgeschichte allgemein.
1. Der Wanderer über dem Nebelmeer
Der Wanderer über dem Nebelmeer ist vermutlich das bekannteste Werk von Caspar David Friedrich, obwohl es sich um ein eher untypisches und vergleichsweise spät öffentlich bekannt gewordenes Kunstwerk handelt. Bis zum Sommer 1959 blieb das Gemälde der breiten Öffentlichkeit verborgen und befand sich zuvor im Besitz verschiedener privater Kunstsammlungen. Das Werk gilt als untypisch für Friedrich, da es eine ungewöhnlich überproportionale Darstellung einer Rückenfigur zeigt. Zuvor war der Künstler bei solchen Motiven zurückhaltender. In Werken wie Meeresstrand mit Fischer oder Der Mönch am Meer ist die Rückenfigur weniger dominant und ermöglicht einen direkten Blick auf die dahinterliegende Landschaft. Im Wanderer über dem Nebelmeer hingegen bleibt das, was hinter der zentralen Figur liegt, verborgen. Diese Inszenierung fordert den Betrachter auf, über das bloße Sehen hinauszugehen und sich intensiver mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen.
2. Die Kreidefelsen auf Rügen
Das Kunstwerk Kreidefelsen auf Rügen von Caspar David Friedrich zählt zu den vielschichtigsten Werken der Romantik und bietet weitreichenden Spielraum für zahlreiche Interpretationen.
Religiöse Symbolik und Tugenden
Eine häufig vertretene Deutung sieht in dem Werk eine Allegorie christlicher Tugenden: Die Frau im roten Kleid symbolisiert die Liebe, der am Boden kriechende Mann steht für den Glauben, und der am Baumstumpf lehnende Mann verkörpert die Hoffnung. Diese Interpretation verweist auf Friedrichs protestantisch geprägtes Verständnis von Kunst und Theologie. Ergänzend wird der am Boden liegende Hut als Zeichen der Demut gedeutet. Manche Fachleute deuten die Figuren zudem autobiografisch: Die Frau könnte Caroline, Friedrichs Ehefrau, darstellen, während der kriechende Mann möglicherweise Friedrich selbst repräsentiert.
Auseinandersetzung mit der Natur
Andere Interpretationen erkennen in den Figuren drei verschiedene Haltungen zur Natur: Die Frau, die in den Abgrund zeigt, steht für die Faszination des Unbekannten; der Mann, der Grashalme untersucht, symbolisiert eine analytisch-wissenschaftliche Annäherung; und der Mann, der aufs Meer blickt, verkörpert Sehnsucht und Fernblick. Dieses Zusammenspiel spiegelt die romantische Naturanschauung wider, die das Verhältnis des Menschen zur Landschaft als emotional und spirituell geprägt betrachtet.
Psychologische und politische Deutungen
Psychoanalytische Deutungen sehen im Bild die gespaltene Persönlichkeit Friedrichs dargestellt: Die beiden männlichen Figuren könnten unterschiedliche Facetten seines Selbst symbolisieren – einen liebevoll-anhänglichen und einen freiheitsliebenden Persönlichkeitsanteil. Der Abgrund wird als Hinweis auf schmerzliche Erlebnisse in Friedrichs Vergangenheit interpretiert. Politische Deutungen sehen im Mann, der am Baum lehnt, einen ‚Demagogen‘ in verbotener Tracht, während der kriechende Mann mit Zylinder als Karikatur eines ‚Philisters‘ gedeutet wird.
Fazit zu den Kreidefelsen auf Rügen
Die Vielzahl an Interpretationen macht Kreidefelsen auf Rügen zu einem wahrhaft mehrdeutigen Meisterwerk. Es zeigt Friedrichs einzigartige Fähigkeit, narrative und emotionale Ebenen in einem einzigen Bild zu verweben und den Betrachter zur Reflexion einzuladen.
3. Der Mönch am Meer
Der Mönch am Meer gilt als eines der wichtigsten Werke in Caspar David Friedrichs Karriere, da es ihn zu Lebzeiten berühmt machte. Zusammen mit der Abtei im Eichwald präsentierte sich Friedrich 1810 auf der Berliner Akademieausstellung einem breiten Publikum und gewann mit dem Verkauf der Werke an König Wilhelm III. einen bedeutenden Unterstützer, der seinen Ruf als Künstler festigte.
Bruch mit der traditionellen Landschaftsmalerei
Das Gemälde sorgte auch für kontroverse Diskussionen, da es radikal mit der traditionellen Landschaftsmalerei brach. Zeitgenössische Landschaftsmaler bevorzugten rahmende Elemente wie Bäume oder Felsen am Bildrand, doch beim Mönch am Meer fehlt all dies. Stattdessen steht der Mönch als einziger Orientierungspunkt im Bild, wodurch jegliche räumliche Tiefe und Weite schwer messbar wird. Diese bewusste Reduktion verstärkt das Gefühl von Einsamkeit und Unendlichkeit und unterstreicht Friedrichs innovativen Ansatz in der Landschaftsmalerei.
4. Die Abtei im Eichwald
Wie bereits erwähnt, trug die Abtei im Eichwald maßgeblich zur Bekanntheit und zum Ruhm des Künstlers bei. Experten interpretieren das Werk als eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Themen Tod, Religion und Vergänglichkeit. Die Ruine wird oft als Symbol für den Verfall mittelalterlicher Kircheninstitutionen gesehen, während die Eichen an die untergegangene heidnisch-germanische Götterwelt erinnern. Andere Deutungen hingegen verstehen die Szene als Exhumierung und als Sinnbild einer rückwärtsgewandten katholischen Religiosität, die im Gegensatz zur zukunftsgerichteten Spiritualität des Mönchs am Meer steht. Friedrichs Unsicherheit im Umgang mit diesen komplexen Themen zeigt sich in der offenen, vielschichtigen Darstellung. Sie lädt den Betrachter ein, eigene Deutungen vorzunehmen, und spiegelt damit, wie so oft in Friedrichs Werk, die Ambivalenz seiner künstlerischen Aussagekraft wider.
5. Huttens Grab
Huttens Grab setzt die Tradition des Interpretationsspielraums auf politische Weise fort, indem es historische, nationale und persönliche Themen miteinander verknüpft. Die Darstellung der Ruine der Sakristei des Klosters auf dem Oybin, ergänzt durch einen fiktiven Sarkophag, schafft eine Szenerie, die symbolisch Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen lässt. Der Name Ulrich von Hutten, einer zentralen Figur des Humanismus und der Reformation, auf dem Denkmal sowie die Nennung weiterer Persönlichkeiten aus der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon verbinden demokratische und patriotisch-nationale Bewegungen. Dadurch wird das Grabmal zu einem Symbol für den Widerstand gegen fremde Unterdrückung und den Kampf um nationale Souveränität.
6. Das Eismeer
Das Eismeer von Caspar David Friedrich gilt als eines der bedeutendsten Werke des Künstlers und als Allegorie des Scheiterns. Es entstand in einer Zeit, in der Friedrichs künstlerischer Erfolg nachließ, und wird oft mit der politischen und gesellschaftlichen Kälte der deutschen Restaurationszeit in Verbindung gebracht.
Künstlerische Innovation und politische Aussage
Innerhalb der Tradition der Marinemalerei setzte Friedrich mit dem Eismeer neue Maßstäbe. Anders als frühere Darstellungen von Schiffbruch, die oft narrative oder dokumentarische Ansätze verfolgten, stellt Friedrich als Landschaftsmaler die unerbittliche Gewalt der Natur in den Vordergrund und behält dennoch eine politische Dimension bei. Die Komposition verzichtet auf jegliche menschliche Präsenz, wodurch die Darstellung der Landschaft als tragische sowie erhabene Szenerie wirkt. Die monumentale Bildsprache und die Reduktion auf wenige Elemente verdeutlichen Friedrichs radikalen Ansatz, die Natur als Ausdruck des Menschlichen und Kosmischen zugleich darzustellen. Die Eismassen, die das Schiff begraben, symbolisieren die Erstarrung und den Niedergang gesellschaftlicher und politischer Ideale nach den Karlsbader Beschlüssen von 1819, wodurch das Gemälde den Verlust von Freiheit und Fortschritt aufgreift.
7. Das Große Gehege
In den Augen vieler Kunsthistoriker nimmt Das Große Gehege von Caspar David Friedrich eine Sonderstellung ein und wird als besonders anspruchsvolles Spätwerk eines von Krankheit geplagten Künstlers angesehen. Die stufenlosen Farbübergänge sowie die bewusste Gestaltung der Wölbungen, die auf der vorangegangenen Skizze nicht vorhanden waren, verleihen dem Werk eine außerordentliche Stellung im allgemein sehr hochqualitativen Portfolio des Greifswalder Künstlers. Es thematisiert die zentrale romantische Spannung zwischen Zivilisation und Natur und ist eine eindrucksvolle Demonstration Friedrichs künstlerischen Talents.
8. Die Frau am Fenster
Die Frau am Fenster von Caspar David Friedrich ist innerhalb seiner Karriere eine Seltenheit, die mehrere Ebenen der Interpretation eröffnet. Das Gemälde thematisiert, ähnlich wie Der Wanderer über dem Nebelmeer, das Sehen und lädt den Betrachter dazu ein, über die Wahrnehmung nachzudenken – denn was die Figur im Bild sieht, bleibt, wie in vielen Fenstermotiven der Kunstgeschichte, verborgen. In Friedrichs Werk ist Frau am Fenster zwar einzigartig, steht jedoch in einer motivischen Tradition. Während seine Fenstermotive oft leere Innenräume zeigen, gibt es mit dem verlorenen Gemälde Abendstunde ein weiteres Beispiel, das Figuren integriert. Insgesamt sind Innenraumbilder in Friedrichs Schaffen eher selten und beschränken sich auf einige frühe Zeichnungen sowie wenige Gemälde seines Spätwerks.